4. Marsch des Lebens für Israel in Davos am 14. August 2020
Von Alex Schaub, Serneus GR, Michael Ruh, Lohn SH
Am vergangenen Freitag, den 14. August, fand in Davos – unter Einhaltung der vorgegebenen Schutzmassnahmen gegen die Verbreitung des Covid-19 Virus – der vierte Marsch des Lebens für Israel statt. Mussten im Frühjahr viele solcher Veranstaltungen schweizweit abgesagt oder als Online-Konferenz abgehalten werden, konnte der Marsch des Lebens für Israel wie geplant stattfinden.
Der erste Marsch des Lebens erfolgte 2007 in Süddeutschland. Seither ist daraus eine internationale Bewegung entstanden, die jährlich Zehntausende auf die Strasse bringt, um gemeinsam die Stimme gegen Antisemitismus und Judenhass zu erheben. Weitere Ziele der Bewegung sind, an die Verbrechen des Holocausts zu erinnern, jüdische und christliche Begegnungen zu ermöglichen und als Freunde an der Seite Israels zu stehen. «Der Holocaust geschah, weil die schweigende Mehrheit zugeschaut hat», sagt Jobst Bittner, Gründer der Bewegung, und ruft deshalb die Menschen auf, aktiv die Stimme zu erheben. In der Tat, der Hass auf Juden wächst europaweit. Hassreden, Belästigungen und die Angst, in der Öffentlichkeit als Jude erkannt zu werden, sind inzwischen zur neuen «Normalität» geworden. Gemäss einer Umfrage im «Blick» Anfang Jahr auch in der Schweiz.
Die Marsch des Lebens Gruppe Davos setzte in diesem Jahr den thematischen Schwerpunkt auf die persönliche, innere Haltung gegenüber anderen Menschen. Wie denke ich über meinen Nächsten? Was ist meine innere Grundhaltung ihm gegenüber?
Es ist hilfreich, wenn einem dabei gezeigt wird, wie wir von aussen gesehen und wahrgenommen werden. Auf Zustimmung der Zuhörerschaft erlaubte sich Jobst Bittner aufzuzeigen, wie wir in der Schweiz mit Neutralität umgehen und dass die
Bibel diesen Begriff so nicht kennt, dass die Wortbedeutung mit Gleichgültigkeit in Verbindung gebracht werden kann. Ein Zitat von Elie Wiesel, Holocaust-Überlebender und Friedensnobelpreisträger, bekräftigte dies:
„Man muss immer Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“
Nach diesen klaren Worten und verschiedener Einlagen der YC-Dance Gruppe aus Tübingen gingen die Teilnehmer gemeinsam mit Bannern und Fahnen auf den Marsch, der Talstrasse entlang, den Schiaweg hinauf und über die Promenade zurück in den Kurpark. Schnell zeigte sich, dass das Ziel, jüdisch – christliche Begegnungen zu ermöglichen, erreicht war. Jüdische Feriengäste applaudierten den Teilnehmern zu und ein herzliches «Shalom» wurde ausgetauscht.
Vom Marsch zurückgekehrt, wurden Worte von Pfarrer Louis Dallière (1897-1976) vorgelesen, welche sich mit unserer ablehnenden Herzenshaltung gegenüber dem jüdischen Volk und der Loslösung der Christlichen Kirche von ihren jüdischen Wurzeln befasste. Die daraus folgende Stellungnahme, dass wir heute in Wertschätzung und Freundschaft zum jüdischen Volk und Israel leben wollen, konnte per Unterschrift bezeugt werden. Diese wird an jüdische Organisationen in der Schweiz weitergegeben. Gebete und Grussworte, unter anderem auch des Stellvertretenden Botschafters des Staates Israel, rundeten den Anlass im Kurpark ab.
Im Forum Davos fand anschliessend der zweite Teil der Veranstaltung statt, welche von der Tanzgruppe YC-Dance umrahmt wurde. Pfarrer Florian Sonderegger erklärte an Hand der Geschichten von David und Paulus, dass Busse und Umkehr ein lebenslanger Prozess ist und bleibt. Wir dürfen unsere Geschichte, auch die dunkle, nicht vergessen. Je näher wir Gott kommen, desto tiefer werden wir in die Busse und zur Umkehr geführt und werden so mehr und mehr staunen über Gottes Barmherzigkeit und Gnade, der uns Umkehr, Vergebung und Erneuerung schenkt.
Als Abschluss fasste Jobst Bittner die Aussagen des Tages zusammen und bekräftigte, wie wichtig es ist, gemeinsam in allen Kantonen und Städten ein öffentliches Zeichen gegen Antisemitismus zu setzten. Dies einhergehend mit der Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der Geschichte unserer Region, welche immer erst bei uns persönlich beginnt. Wenn jeder bei sich selbst anfängt die Decke des Schweigens zu heben und Wahrheit auszusprechen, ist dauerhafte Veränderung möglich, ohne dass uns die Vergangenheit wieder einholt – in Davos, im Kanton Graubünden, in der Schweiz und drüber hinaus.
Die vorgelesene Botschaft von Pfarrer Louis Dallière kann auf folgender Webseite angesehen werden:
https://www.gebet-gr.ch/marsch-des-lebens-davos/
Stellungnahme anlässlich des 4. Marsch des Lebens in Davos am 14. August 2020
Was uns an Kenntnis von Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde und Erlöser der Menschen, überliefert worden ist, verdanken wir dem Volk Israel. Mit uns teilen sie ihre heiligen Schriften: Mose, die Propheten und Psalmen mit den übrigen Schriften. An ihrer Geschichte geben sie uns Anteil, und diese bezeugt auch uns die Treue Gottes, die wir für uns glauben.
Jesus von Nazareth, den wir als unseren Herrn und den Christus bekennen, stammt aus dem Volk Israel, dazu die Apostel und Evangelisten, deren Schriften für uns verbindlich sind.
Wir glauben, dass Gott seine Verheissungen, die er seinem Volk Israel gegeben hat, erfüllt. Zu diesen gehört, dass Gott sein Volk aus allen Völkern sammelt und wieder in das Land zurückführt, das er seinen Vätern verheissen hat. Das erfüllt uns mit grosser Freude. Darum beten wir mit ihnen für den Frieden Jerusalems, erwarten das Kommen des Messias und beten darum.
Wir verwerfen die Auffassung, als ob die Kirche an die Stelle Israels getreten wäre, Israel von seinem Gott enterbt wäre und die Kirche Alleinerbin der Zuwendung Gottes geworden wäre. Sooft die Kirche eine solche Auffassung pflegt, wird sie überheblich. In dieser Haltung hat sie Israel immer wieder verachtet, erniedrigt, verfolgt, und ist mit schuldig geworden auch an der Shoa.
Als Glieder der Kirche bekennen wir unsere Schuld, bereuen das Unrecht und bitten Gott und sein Volk Israel um Vergebung. Wir wollen uns daran erinnern und es nicht vergessen.
Wir lehnen jede Form von Antisemitismus und Antijudaismus ab und prangern auch seine modernen Formen an, die im Antizionismus die Rechtfertigung von Hass und Mord finden.
Anstatt Hass und Ablehnung gegen das Volk Israel zu pflegen, wollen wir den von Gott gebotenen Weg der Liebe beschreiten, das Volk Israel in seiner Besonderheit annehmen und ehren wie auch die andern Völker und Menschen.
Wir schätzen den besonderen Platz des Volkes Israel unter den Völkern und anerkennen den Staat Israel als legitimen Staat in der Staatengemeinschaft.
Mit dem Volk Israel erwarten wir das Kommen des Reiches Gottes, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit und Friede herrschen, wie es die Propheten verheissen haben.
Für das wollen wir einstehen und es weitergeben.
Auch als Christen an der Seite Israels Schweiz und International stehen wir ganz hinter dieser Erklärung von Davos.
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